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Sonntag, 5. Mai 2013

Ansprache von Pfr. Werner Exner zur Aussendung

Lieber Hubert,

Ein triftiger Grund - ein beschwerlicher Weg westwärts und ein befreiender Weg zurück gen Osten

Ein triftiger Grund: Unser Leben, das wissen wir, hat einen geheimnisvollen Anfang und ein unbestimmbares, ungewisses Ende. Wir kommen - ich weiß nicht woher,  wir gehen - und ich weiß nicht wohin. Dazwischen ein vielfältiges, oft unberechenbares Leben mit allen Eventualitäten, die wir uns nicht immer selber suchen. Wohl dem, der eine Deutung für sein Leben erahnt,  die ihn nicht einfach ins Nichts fallen lässt, sondern der hofft – ja, fest im Glauben weiß – dass er heim darf, so wie es etwa Mörike gedacht hatHerr, dir in die Hände sei Anfang und Ende sei alles gelegt. Aber mitten im Leben denken wir oft nicht an Anfang und Ende, sondern an das Heute und den morgigen TagUnd das ist auch ganz gut so.  Aber du, lieber Hubert, versuchst es einmal anders. Mittendrin in einem erfolgreichen Leben machst du halt. Mittendrin in der jahrelangen, erfolgreichen Arbeit bei einer Weltfirma, mittendrin in einer lebendigen, gläubigen Partnerschaft mit einer lieben und verständnisvollen Frau undTag für Tag daheim sein dürfen wie in einem Paradiesgärtlein - Was fehlt eigentlich noch?  Was kann man suchen wollen? Und plötzlich nein, vielleicht  ganz  langsam schleicht sich ein neues Gefühl ein, ein neuer Gedanke, wird eine neue Sehnsucht wachund wird zur Existenzfrage, die  nach einer Antwort schreit.

Der beschwerliche Weg westwärts
Es ist keine Flucht, nein, ein neuer Weg, der Licht und Wahrheit bringen könnte. Deswegen brichtst du auf, einen neuen Weg zu begehen, zu etwa ganz Neuem.
Auf nach Santiago de Compostela! Aber zuvor wollen wir den Anfang segnen, damit es zu einem guten Ende komme.  Dazu ist diese St. Jakobus-Kirche der rechte Ort. Mit uns Jakobus, der Märtyrer, mit der Muschel in der Hand und über uns Gott, der Dreieinige. Drei Männer besuchen Abraham, oder sind es drei Engel. Abraham sieht drei aber betet nur einen an, heißt im erklärenden Spruch band: Abraham tres videt unum orat! Geheimnis des Glaubens, Geheimnis des dreieinigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Geistes. Geist - -- hier gewagtweiblich als die Ruach dargestellt, die über den Wassern schwebte, Chaos in einen Kosmos verwandelte, und es heute noch immer wieder tut. Um diesen Gott geht es! Dir und uns! Wie kommt GottAuf dem langen Wege nach Compostela? Zunächst ist das ein beschwerlicher Weg. Schmerzende Füße, ungewisse Nächte, fremde Gegend, fremde Menschen. All das wird dich begleiten. Aber Du gehst ja nicht allein, freilich nicht aus eigener Kraft, wie du mir vor einigen Tagen gesagt hast. Und dann bist Du am Ziel, Durch die puerta Santa, durch den portico de la gloria wirst Du in die Kirche gehen. Und mit vielen zusammen anbeten und loben!
Aber bald drängt es Dich weiter - bis nach Finisterre, nach finis terrae, dem letzten Ort vor dem großen Meer.

Spätesten hier beginnt er:
Der befreiende Weg zurück, der Weg gen  Osten
Er ist nicht mehr bestimmt durch das drängende Vorwärts, vorwärts sondern durch das verheißungsvolle suseia - hinauf, hinauf. Ein Neues kann beginnen, anders als zuvor. Hinauf-Weg der Stille, geschlossene Augen sehen mehrgeöffnete Ohren hören neue Klänge.  Der wandernde Jesus wird zum kosmischenallgegenwärtigen Christus. Neue Wege einespirituellen Glaubens, über die mystische Erfahrung eines Angelus Silesius, einer Katharina von Siena, einer Hildegard von Bingen eines Johannes vom Kreuz, eines ... Einzelne und doch viele sind auf dem Wege.

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